Wissen teilen. Weiter denken. Eine Selbstverständlichkeit, so scheint es. Teilen ist "in", solange es nicht darum geht, sein Brot oder gar sein Hab und Gut zu teilen. Teilen ist "in", solange es darum geht, einen "post" zu teilen, eine Nachricht zu teilen (bezeichnenderweise fehlt das "mit", das nur Sinn macht, wenn es eine konkrete Person gibt, an die das Mitgeteilte sich richtet). Und weiter denken? Jedenfalls scheint dies besser zu sein, als einfach nur zu denken, zumindest, so lange es erlaubt ist und nicht etwa quer steht zum erlaubten Denken.
Unsere Sprache gestattet uns, Wissen ebenso zu teilen wie eine Zahl. Aber ist Wissen überhaupt teilbar? Ein altmodischer Römer behauptet, Wissen sei ein Wagnis (sapere aude), das einzugehen Mut erfordere. Bedeutet dies, dass es ohne zuvor erworbenen und bewährten Mut kein Wissen gibt? Und wenn Mut nicht geteilt werden kann, kann dann Wissen erst recht nicht geteilt werden? Läßt Wissen gar zurückschrecken, und zwar aus Faulheit und Feigheit, wie ein ebenfalls altmodischer Philosoph behauptete?
Jedenfalls empfangen wir Wissen nicht wie eine Mail. Wissen muss erworben werden, oft abgerungen. Und wer das Licht des Wissens schließlich erblickt hat, hat es nicht leicht, sein Wissen mit denen zu teilen, die dieses Licht nicht gesehen haben, weil diese zwar weiter denken (vor der Rechtschreibreform: weiterdenken), aber so, wie sie es gewohnt sind und es ihrer Meinung nach schon immer getan haben - d. h. gar nicht denken (-> Höhlengleichnis).
Aber vielleicht kann Wissen bewahrt werden. Aufbewahrt im Gedächtniss, in einem Text, in einem Buch, verfügbar in einer Buchgesellschaft... Und vielleicht teilt sich dieses Wissen einem Denkenden mit, erweitert seinen Horizont, veranlasst ihn zum Weiter denken und Weiterdenken. Vielleicht in seltenen Fällen. Aber immerhin.
Ein Wissen gibt es, das nicht geteilt und nicht mitgeteilt werden kann: Das Wissen über sich selbst. Dieses Wissen kann nur geschenkt werden. Wie bei jedem Geschenk ohne die Garantie, dass der Beschenkte etwas damit anfangen kann, es auf-heben kann. Geschieht dies aber doch einmal, ist nicht nur der Beschenkte reicher geworden, sondern auch der Schenkende: Er ist fortan mit seinem Wichtigsten aufgehoben.
Lieber Herr Lupa,
Danke für die Blumen, aber leider schreibe ich keine Bücher, mag aber Sprache und nehme Sprache meist sehr ernst.
Normalerweise begnüge ich mich damit, als gelernter Ökonom Gebrauchstexte (Evalierungsberichte) zu schreiben. Literarische Versuche sind bisher gescheitert. Eine einzige außer-ökonomische Publikation ist mir kürzlich gelungen (siehe https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-32083-6_15).