Was ist Kunst?
Der Mensch und die Kunst führen ihre Beziehung seit Jahrtausenden. Sie begleitet uns im Alltag – und das seit Kindestagen an; in Form von Basteln oder Werken, später dann im Schulunterricht. Wer etwas auf sich hält, der kennt sich mit ihr aus. Für einige ist es ein Wunder, für andere ist es Müll. Aber was ist Kunst eigentlich?
»Die Kunst ist zwar nicht das Brot, wohl aber der Wein des Lebens«, um hier den Schriftsteller Jean Paul zu zitieren.
Allgemeine Definitionen beschreiben die bildende Kunst als eine Ausdrucksform der Gefühle und Gedanken in einer Art schöpferischen Gestaltungsakts.
»Es gibt Maler, die die Sonne in einen gelben Fleck verwandeln. Es gibt aber auch andere, die dank ihrer Kunst und Intelligenz einen gelben Fleck in die Sonne verwandeln können.« – Pablo Picasso
Andreas Graeser beschreibt den Zusammenhang von Kunst und Philosophie wie folgt:
»Wenige Disziplinen haben in den hinter uns liegenden Jahrzehnten in ähnlicher Weise von den Entwicklungen in der Philosophie profitiert wie die Philosophie der Kunst; und wenige Disziplinen haben ihrerseits die Philosophie so bereichert wie diese Disziplin.«
Die Kunstphilosophie beschäftigt sich mit dem Wesen der Kunst. Verschiedene Theorien versuchen sich diesem anzunähern. Lange vorherrschend war die Darstellungstheorie, die ihren Ursprung bei Platon und Aristoteles hat. Sie bezeichnet die Annäherung der Kunst an die Wirklichkeit, primär die Natur. Bei Betrachtung der moderneren Kunstwerke oder auch der Musik und Literatur wird diese allerdings obsolet.
Die Ausdruckstheorie bezeichnet nach Leo Tolstoi das als Kunst, was etwas ausdrückt. Diese Definition wird bei der Frage hinfällig, ob dies noch greifen kann, wenn sich der Ausdruck nur dem Künstler oder der Künstlerin erschließt.
Im 20. Jahrhundert werden immer mehr Stimmen laut, die sich für die formalistische Kunsttheorie einsetzen, ganz vorn voran Clive Bell. Diese Theorie definiert Kunst nach formalen Aspekten, es geht um das Zusammenspiel von Linien und Farbe, die dadurch eine ästhetische Emotion auslösen sollen. Auch hier ist anzumerken, dass diese Emotionen nicht für jede betrachtende Person erkenntlich sein werden.
Der Philosoph George Dickie entwickelte die Institutionstheorie. Diese grenzt sich von den vorherigen Erklärungsmodellen dahingehend ab, dass Kunst Kunst sei, wenn sie von der Kunstwelt (nach Arthur C. Danto) oder Künstler:innen als solche anerkannt wurde. So wird abstrakter Kunst oder Alltagsgegenständen den Aufstieg zu einem Kunstwerk ermöglicht. Die Theorie ist zwar deutlich inklusiver als seine Vorgänger, allerdings bleibt offen: Wer gilt dann als Künstler:in? Reicht es, dass ein Werk zur Kunst wird, wenn jemand beliebiges es als solches betrachtet. Wird jedes vermeidliche Kunstwerk, welches Anerkennung in den Sozialen Medien gewinnt, dann zu einem solchen? Und inwiefern lässt sich Kunst überhaupt philosophisch erfassen oder ist dies ein Diskurs, der eines anderen Rahmens bedarf?
»Jede künstlerische Leistung ist ein Sieg über die menschliche Trägheit.« – Herbert von Karajan
Ohne Zweifel macht Kunst das Leben schöner und bietet vielen eine einmalige Ausdrucksform, sei es in der visuellen, aber auch in der akustischen oder verschriftlichten Form. Wer sich künstlerisch auslebt, der lernt nicht nur eine völlig neue Seite seiner Welt und sich selbst kennen, sondern muss sich gleichermaßen dazu bereit erklären, sich der breiten Masse offen zu legen; für Kritik und für die Reduzierung auf einen kleinen Augenblick, den man der Gesellschaft preisgab.
In aktuellen Diskursen wird immer wieder thematisiert, wie wir mit Kunst aus einer Zeit oder Gesellschaft umgehen, deren Werte wir nicht mehr vertreten. Ab wann ist Kunst keine Kunst mehr und verliert das unausgesprochene Recht, als solche anerkannt zu werden?
Literatur:
Andreas Graeser, Positionen der Gegenwartsphilosophie (München 2002).
Uwe Schneede, Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert. Von Picasso bis heute. Von den Avantgarden bis zur Gegenwart (München 2021).
Hans Küng (Hrsg), Literatur, Kunst, Musik (Darmstadt 2019).
Sehr geehrter Herr Böhle,
vielen Dank für Ihren Kommentar! Sie regen mich wie immer zum Nachdenken an, das war sehr interessant.
Lara Hitzmann
Sehr geehrte Frau Hitzmann
Ihre Worte streicheln, hegen und pflegen meine Eitelkeit. Ich verfüge über selbige in einem hinreichend üppigen Maße und nehme daher alles in bescheidender Demut an.
Na ja, mit der Demut ist es insofern nicht allzu weit her, als ich mit einer Antwort aus dem Bereiche der Kunst und Ihrer Frage zur Zeit nicht adäquat aufwarten kann; es liegt genügend vor, aber nicht 'schriftreif'!
Doch bewog mich Ihre Antwort dazu, doch in das Thema "historischer Augenblick" mich einzumischen. Den Text, den ich dort einstelle, möge als Entsprechung für Sie gelten, schließlich haben Sie die Einmischung ja auch verursacht!
Mit freundlichen Grüßen
Rüdiger E. Böhle